Sensibilisierung von Jugendlichen zu Online-Hassreden

Für Hass im Netz und Online-Hassreden (Hate Speech Online) gibt es keine allgemeingültige Definition und kein einheitliches Verständnis. Es gibt verschiedene internationale Standards, Empfehlungen und Gesetze sowie einen rechtlichen Rahmen auf nationaler Ebene, die Definitionen von Hate Speech enthalten. Der Verein ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit definiert Online-Hass als verletzende, erniedrigende oder entwürdigende Onlineinhalte, die sich gegen Einzelpersonen oder Gruppen richten. Solche Inhalte stellen nach österreichischem Recht oft einen Straftatbestand dar. Auch wenn bestimmte Hassreden im Internet nicht gesetzlich verboten sind, können sie dennoch Menschen erniedrigen, herabwürdigen und verletzen und somit eine schädigende Wirkung haben.

In den letzten Jahren hat vermehrt eine „Normalisierung“ von Cybergewalt und Online-Hassreden eingesetzt, gepaart mit einer wachsenden Gleichgültigkeit dieser „Normalisierung“ gegenüber in digitalen und sozialen Medien.1 Diese Entwicklung hängt auch mit einem Mangel an Verständnis für die illegale und schädliche Natur von Online-Hassrede zusammen. Online-Gewalt hat soziale Folgen, ebenso wie psychische, emotionale und psychosomatische Auswirkungen auf Betroffene.

Wer ist am meisten von Hassreden betroffen?

Einige Personen und/oder Gruppen sind in Österreich auf Grund von tatsächlichen oder zugeschriebenen Merkmalen besonders von Hassreden betroffen. Einer Erhebung2 zufolge, die im Rahmen des EU-Projekts LEAD-Online3 durchgeführt wurde, sind geflüchtete Personen, Muslim*innen, Jüd*innen, Schwarze Personen, die LGBTIQ+ Community, Frauen* ebenso wie Rom*nja und Sinti*zze am meisten von Online-Hassreden betroffen. Das kann Jugendliche – oftmals vordergründig Mädchen*/junge Frauen* und/oder Jugendliche of Color – veranlassen sich aus den verschiedenen Online-Sozialräumen zurückzuziehen. Der Cyberspace wird zu einem weniger diversen Diskussionsraum. Das hat weitreichende Folgen für gesellschaftliche und politische Partizipation.

Präventionsmaßnahmen und Sensibilisierung

Um solchen Entwicklungen frühzeitig entgegenzuwirken, müssen Jugendliche beim Erkennen und Einordnen solcher Gewaltformen unterstützt werden, ebenso wie bei der Behauptung ihrer Teilhabe an den Online-Sozialräumen. Daher ist Präventionsarbeit von großer und nachhaltiger Bedeutung: Sie setzt an, bevor Hass entsteht und verbreitet wird. Im LEAD-Online Projekt stärkt ZARA gemeinsam mit Projektpartner*innen aus 7 Ländern4 kritisches Denken und Digitale- und Medienkompetenz bei jungen Menschen. Das Projekt möchte der geringen Meldedichte und der „Normalisierung“ von Hass im Netz bzw. Online-Hassrede entgegenwirken. Jugendliche, Lehrkräfte, Medien- und Social-Media-Aktivist*innen sollen gestärkt werden, um sich zu Akteur*innen des Wandels zu entwickeln. Sie werden darin geschult, hasserfüllte Diskurse und zugrunde liegende Formen von Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung zu erkennen. Das Projekt stellt dafür innovative digitale Mittel und Methoden zur Verfügung, um Hassreden zu klassifizieren, zu entschlüsseln und ihnen entgegenzuwirken. Im Rahmen der bereits erwähnten Erhebungbeantworteten 120 Jugendliche (14-19 Jahre)Fragen zu Online-Hassreden und gaben Einblick in ihren Wissensstand. Die Ergebnisse der Erhebung ermöglichen Einblicke in den aktuellen Stand der Sensibilisierung von Jugendlichen zu Hassreden.7

Die folgende Auswahl an Antworten von Jugendlichen auf die Frage nach einer Definition von Online-Hassreden zeigen unterschiedliche Verständnisse von Hass im Netz:

  • Das sind einfach negative Kommentare, die man sich sparen kann, mit Gefühlen und der Psyche anderer Menschen spielt man nicht!
  • Wenn man über eine Person hinter ihrem Rücken redet, obwohl man die Person nicht kennt bzw. man urteilt über eine Person was Schlechtes.
  • Wen man jemanden wegen seinem Aussehen, Herkunft, Religion, Sexualität etc. beleidigt.
  • Wenn Menschen im Netz Wut und Hass an anderen auslassen (z. B. Kommentare mit rassistischen oder anderen Beleidigungen, die oft keinen richtigen Grund haben).
  • Wenn man unangemessene Kommentare abgibt oder Leute im Netzt beschimpft oder erniedrigt.
  • Mobbing.
  • Öffentliches Bloßstellen, falsche Aussagen über eine Person machen.

Der Großteil der befragten Jugendlichen war sich bewusst, dass die Äußerung einer Meinung online einfacher ist als offline. Der Großteil der Jugendlichen (fast 75%) lehnte es ab, mit diskriminierender und herabwürdigender Sprache auf die Meinung anderer im Internet zu antworten. Fast 50% der Jugendlichen schlossen sich folgender Aussage an: „Jede Person sollte die Freiheit haben, seine*ihre Gedanken und Meinungen in den sozialen Medien zu teilen. Wenn es den Leuten gefällt, können sie dir folgen und wenn nicht, können sie dich blockieren.“ Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass es nach wie vor einen Bedarf an Sensibilisierung für Hass im Netz gibt.

Der Wissensstand darüber, wie auf Hass im Netz adäquat reagiert werden kann, ist bei den jugendlichen Befragten sehr unterschiedlich. Der Großteil hat auf die Frage nach ihrer Reaktion in der Vergangenheit auf hasserfüllte Kommentare im Internet mit „Ich habe es ignoriert, weil es mir egal war“ bzw. „Ich habe es ignoriert, weil ich nicht wusste, wie ich reagieren soll“ geantwortet. Dies zeigt deutlich, die fehlende Sensibilisierung für die Folgen von Online-Hassreden und auch den Mangel an Informationen zu Handlungsmöglichkeiten. Dies wird auch in der Beantwortung der Frage nach den besten Möglichkeiten bei Online-Hass Zivilcourage zu zeigen, deutlich. Einige gaben an, dass sie Online-Hass an die Website/App, wo er passiert ist, melden oder den Online-Hass ignorieren und hoffen würden, dass er aufhört. Auch in den Schulen gibt es noch Potential gemeinsam mit Jugendlichen verantwortungsvolles Verhalten Online zu erarbeiten: Etwa die Hälfte der befragten Jugendlichen gab an, in ihrer Schule verantwortungsvolles Verhalten Online zu lernen, während knapp über 20%, keine solchen Lernerfahrungen in ihrer Schule hatten.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichen Herausforderungen und Lücken rund um das Thema Hass im Netz in Österreich, die weitere Aktivitäten und Maßnahmen notwendig machen. Der gesetzliche Rahmen zur Bekämpfung von Hass im Netz in Österreich bietet seit der Einführung des Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetzespakets verbesserte Möglichkeiten gegen manche Ausdrucksformen von Hass im Netz vorzugehen. Gleichzeitig gibt es viele Faktoren, die eine wirksame Bekämpfung erschweren. Das „underreporting“8 und die fehlende Wahrnehmung von Hassreden als Problem machen deutlich, dass Informationen zu Hass im Netz im Allgemeinen ebenso wie zum Melden von Online-Hassrede fehlen.

Es braucht mehr adäquate gesamtgesellschaftliche Präventions- und Sensibilisierungsarbeit (z. B. in den Bereichen Medienkompetenz, Antidiskriminierung, Konfliktaustragung) und kostenfreie psychologische Unterstützung für betroffene Personen. In allen Schulstufen sowie auf Ebene der Institutionen und Organisationen, die mit Jugendlichen arbeiten, müssen Maßnahmen zur Sensibilisierung und Aufklärung hinsichtlich Unterstützungsangeboten und Reporting-Mechanismen gesetzt werden. Gleichzeitig sind finanziell, personell und equipmenttechnisch gut aufgestellte Beratungseinrichtungen, Strafverfolgungsbehörden, wie Polizei und Staatsanwaltschaft, und Gerichte notwendig, damit sie die gesellschaftlichen Auswirkungen von Hass im Netz effektiv bekämpfen UND Betroffene gut begleiten können.9

In Österreich gibt es verschiedene Akteur*innen und Anlaufstellen, die Betroffenen psychosoziale und rechtliche Unterstützung und Beratung anbieten sowie Hassreden dokumentieren, wie beispielsweise: ZARA-Beratungsstelle #GegenHassimNetzoder Rat auf Draht (für Kinder und Jugendliche),Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus,Antisemitismus Meldestelle, Stopline.at, Mauthausenkomitee, Internet Ombudsstelle, die NS-Meldestelle, Mädchen* und Frauen*beratungsstellen.


1 W. Soral/M. Bilewicz/M. Winiewski (2017): Exposure to hate speech increases prejudice through desensitization. In: Aggressive Behavior, 2017, S. 1-17, onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/ab.2173.

2 Es haben 120 Jugendliche (14-19 Jahre) und 35 Erwachsene (über 19 Jahren) an dieser Ehrhebung teilgenommen.

3 Der volle Titel des Projektes lautet „Learn, Engage, Act: Digital Tools to Prevent and Counter Hate Speech Online“ und es wird ko-finanziert von der Europäischen Kommission und dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz.

4 Das Projekt wird in folgenden Ländern umgesetzt: Österreich, Bulgarien, Kroatien, Zypern, Italien, Rumänien, Griechenland.

5 Das Tool zur Selbsteinschätzung ist zu finden unter: https://www.lead-online.eu/de/.

6 71% der befragten Jugendlichen waren weiblich*, 21% männlich* und 4% nicht-binär / divers. Die übrigen Befragten machten keine Angaben zu ihrem Geschlecht.

7 Die erste Testphase des Tools zur Selbsteinschätzung war zwischen 10.10.2022 und 11.11.2022.

8 „Underreporting“ meint die geringe Meldedichte von Hass im Netz Vorfällen bei der Polizei sowie bei Organisationen.

9 Weiter Forderungen für einen Nationalen Aktionsplan gegen Hass im Netz finden sich im 5. Gegen-Hass-im-Netzbericht von ZARA zu finden unter: https://zara.or.at/de/wissen/publikationen/GegenHassimNetz_Berichte.