Kinderrechte im Krankenhaus – Brücken bauen für Partizipation

Kinder haben Rechte - auch im Krankenhaus. Viele Eltern und auch Kinder und Jugendliche wissen darüber Bescheid. Wie sieht es aber mit der aktuellen Umsetzung dieser Rechte in Österreich aus?

Da es bis dato dazu keinerlei Erhebungen gab, wurde im Frühjahr 2019 das Projekt „Gesundheitskompetenz von Kindern im Krankenhaus“ von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) in Kooperation mit KiB children care ins Leben gerufen. Am Tag der Kinderrechte am 20.11.2020 wurden die Ergebnisse des Projektes, sowie Best Practice Beispiele mit anschließender Diskussionsrunde von Expertinnen und Experten in einem Online Symposium präsentiert.

In den letzten Monaten haben wir alle erlebt, wie wichtig ein gut funktionierendes Gesundheitssystem ist. Ergebnisse der aktuellen Studie zu den Kinderrechten, die knapp vor der Corona Pandemie durchgeführt wurde, haben gezeigt, dass es bei der Umsetzung der Kinderrechte Österreich weit große Unterschiede in den Spitälern gibt und vielerorts Personal- sowie Platzmangel einer optimalen Umsetzung der Kinderrechte im Wege stehen.

Heutzutage ist es für Eltern selbstverständlich, dass sie bei ihrem Kind im Krankenhaus bleiben, das Kind aufmuntern und ihm bei Untersuchungen die Hand halten. Dies war nicht immer so. Daher wurde 1986 KiB children care von Familien für Familien gegründet. KiB setzt sich für die Rechte der Kinder im Krankenhaus ein und unterstützt Familien bei Vorliegen eines Krankheitsfalles. Die Europäische Charta für die Rechte des Kindes im Krankenhaus wurde im Jahr 1988 von der Europäischen Vereinigung für Kinder im Krankenhaus („European Association for Children in Hospital“, EACH) verabschiedet.

Mag.a Dr.in Lisa Gugglberger von der Gesundheit Österreich (GÖG) und ihre Kollegin Mag.a Edith Flaschberger haben leitende Ärztinnen/Ärzte und Pflegepersonen von Stationen, auf denen Kinder behandelt werden, sowie Eltern und einen Jugendlichen im Rahmen des Projekts befragt. Insbesondere wurde die Studie auf folgende vier Kinderrechte fokussiert: Partizipation, Information von Kindern und Jugendlichen, Mitaufnahme von Begleitpersonen und die Wahrung der Intimsphäre. „Es gibt bereits viel Bewusstsein für Kinderrechte und viele kreative Ideen und Bemühungen, um Kindern den Krankenhausaufenthalt möglichst angenehm zu gestalten“, sagt Lisa Gugglberger. „Vor allem die räumliche Ausstattung und die Personalsituation sind sehr unterschiedlich, aber auch die Art und Weise, wie auf die Kinder eingegangen wird“, so Gugglberger. Ein großer Wunsch der betroffenen Eltern war, das Kind als Individuum anzusehen und dass die Eltern ernst genommen werden. Ein höherer Personalschlüssel wäre erforderlich, damit alle Tätigkeiten kindgerecht ausgeführt werden können.

Positiv zu erwähnen ist, dass es auf den Stationen bereits ein großes Bewusstsein für Kinderrechte gibt. Es gibt viele Bemühungen, Ideen und Kreativität bei der Umsetzung.
Probleme gibt es bei den Personalressourcen, den Schulungen und der Ausbildung, sowie der räumlichen Ausstattung und des Platzangebotes. Aus den Ergebnissen der Befragung wurden folgende Handlungsempfehlungen erarbeitet:
Es bedarf noch einer breiteren Umsetzung aller Kinderrechte im Krankenhaus, einer stärkeren Thematisierung in der Ausbildung von medizinischem Personal, sowie einem besseren Sichtbarmachen der Kinderrechte im Krankenhaus. Die Entwicklung einer kinderzentrierten und familienfreundlichen Kultur erfordert laufende Weiterbildungen und die Entwicklung einer Feedbackkultur. Krankenhäuser sind optimale Settings für die Vermittlung von Gesundheitswissen, es bedarf vermehrtem kindgerechtem Informationsmaterial, sowie mehr Gesprächen mit Kindern und Eltern.

Ingrid Kressl BScN, Leiterin der Stabstelle Qualität und Entwicklung in der Pflege, gibt Einblicke, wie Partizipation im St. Anna Kinderspital gelingen kann: „Kein Kind kommt freiwillig ins Krankenhaus, daher muss man den Aufenthalt bestmöglich gestalten und ganz auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen“, so Kressl. Folgende Beispiele zeigen, wie wir Kindern und Eltern im direkten Kontakt Mitbestimmung und Beteiligung ermöglichen:

In bunten und kindgerecht gestalteten Broschüren, wie z.B. „Mein Kind wird operiert“, wird Kindern mit Bildern und gleichzeitig den Eltern informativ der Ablauf der Operation erklärt. Direkt vor der OP wird das Kind von ElementarpädagogInnen nochmals im Gespräch spielerisch aufgeklärt. Ablenkungskarten und Ablenkungsboxen sind täglich im Einsatz, um Kindern unangenehme Untersuchungen, wie z.B. Blutabnahmen, zu erleichtern. Bunte Karten, oft mit Such- oder Wimmelbildern, werden den Kindern gezeigt, während Eltern dem Kind dazu auf der Rückseite abgedruckte Fragen stellen können. Jüngere Kinder werden mit Spielsachen aus der Ablenkungsbox abgelenkt. Nach einer Behandlung darf sich das Kind eine Kleinigkeit aus der Trostkiste aussuchen und bei besonderen Gelegenheiten wird eine Tapferkeitsurkunde mit kindgerechten Illustrationen ausgestellt. Auf einer Pinnwand am Gang, der sog. Mutmachwand mit der Überschrift „Tipps von Helden für Helden“, können Kinder und Jugendliche ihre Erfolge teilen, um andere Kinder zu unterstützen. Die „Comfort Positionen“ geben den Eltern Anleitung, ihre Kinder während einer Untersuchung gut und sicher zu halten. Poster mit Abbildungen der „Bärenumarmung“ und der „Affenklammerei“ hängen in den Untersuchungsräumen. Die Sprache der Kinder zu sprechen und ihre Aussagen ernst zu nehmen ist besonders wichtig. Erwachsene müssen genau zuhören.

In der Online Podiumsdiskussion kamen auch zahlreiche Expert*innen zu Wort und sie hatten auch Gelegenheit, Wünsche und Anregungen für die Zukunft zu äußern:

„Ich würde mir in Zukunft für alle Kinder und Jugendlichen wünschen, dass ihnen im Krankenhaus der Ablauf der Behandlung gut und verständlich erklärt wird, und dass immer eine Begleitperson mit dabei sein kann. Dies ist auch mir immer ganz wichtig gewesen“, so der Jugendliche und Schüler Andreas Gröstlinger, der selbst mit  einer chronischen Erkrankung das Leben meistert.
Univ. Prof.in Dr.in Susanne Greber-Platzer, MBA , Leiterin der Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde AKH Wien hob die Wichtigkeit der Kinder- und Jugend-Rehakliniken, sowie die Zusammenarbeit mit den Selbsthilfegruppen hervor. „Mehr Personalressourcen, vor allem auch an den Wochenenden und auch im therapeutischen Team“, regte Dr.in Greber-Platzer, Vertreterin der Österr. Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, ÖGKJ an. Auch Mag.a Michaela Bilir vom Berufsverband Kinderkrankenpflege Österreich, BKKÖ hat von Seiten der Pflege zu den Kinderrechten Anregungen und Wünsche: „Noch mehr sparen wird sich wahrscheinlich nicht mehr ausgehen. Auch das Thema der „School Nurse“, das international bereits Fuß gefasst hat, wäre schon seit langem in Österreich zu verankern, um chronisch kranken Kindern das Leben zu erleichtern. Wir müssen die Kinder stärken“.
„Bezüglich der konkreten Umsetzung der Kinderrechte ist es mir ein großes Anliegen, dass wir gemeinsam Lösungen finden, um den Art. 2 der EACH Charta in ganz Österreich umzusetzen, nämlich dass Kinder ihre Eltern jederzeit im Krankenhaus bei sich haben können, besonders auch auf der Intensivstation. Denn ich weiß, wie wichtig es für schwer erkrankte Kinder ist, dass Eltern ihre Kinder auch auf der Intensivstation begleiten können“, so Elisabeth Schausberger, die als österr. Vertreterin vom europaweiten Dachverband EACH mitdiskutierte. Mag.a Denise Shiffrer-Barac von der stmk. Kinder- und Jugendanwaltschaft führt aus, dass die Kinder unsere Zukunft sind, aber genauso auch unsere Gegenwart: „Wir müssen die Bedürfnisse der Kinder im Hier und Jetzt wahrnehmen, damit wir die Zukunft besser gestalten können.“
Als betroffene Mutter und Gründerin des Vereins Lobby4kids und Vertretung von vielen Eltern mit Kindern mit chronischer Erkrankung ersucht Mag.a Irene Promussas die Altersgrenze von 18 Jahren bei Kindern nicht zu hart zu ziehen: „Kinder mit einer chron. Erkrankung oder Kinder mit Behinderung bleiben immer Kinder und brauchen auch immer eine Begleitperson im Krankenhaus bei sich. Außerdem wünsche ich mir im Krankenhaus mehr Wertschätzung, Kooperation und Rücksichtnahme auf den individuellen Rhythmus von Kindern und mehr Einbeziehung der Eltern. Die Bedürfnisse der Kinder gehören noch mehr in unseren Fokus, auch in der Schule oder in anderen Einrichtungen.“
„Auch für den Verein KiB children care ist die Begleitung im Krankenhaus ein zentrales Thema“, so Bundeskoordinatorin Manuela Schalek. „Kinder sollten in ganz Österreich von 0 bis 18 Jahren dieselbe bestmögliche Behandlung erhalten, darüber hinaus auch Kinder, die erhöhte Familienbeihilfe beziehen. Die Begleitung von Kindern von 0 bis 18 Jahren im Krankenhaus soll in ganz Österreich selbstverständlich und kostenfrei sein.“

Auch wenn in den letzten Jahrzehnten vieles optimiert wurde, die Veranstaltung und das Projekt haben gezeigt, dass es noch viele Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Wir hoffen, dass mit dem Projekt Kinderrechte im Krankenhaus und mit dem Symposium am Kinderrechtetag die Bedürfnisse unserer Kinder wieder ein Stückchen mehr in den Mittelpunkt unserer Gesellschaft gerückt wurden.

Kontakt:
KiB children care
Verein rund ums erkrankte Kind
Mag. Heidi Eisingerich-Dillenz
Landeskoordination NÖ und Bgld
0 664 / 6 20 30 37
eisingerich.h(at)kib.or.at
www.kib.or.at

Literaturhinweise:
Die Each-Charta und ihre Erläuterungen, 2006
Quelle: Online Symposium „Kinderrechte im Krankenhaus - Brücken bauen für Partizipation“ www.kinderrechte-im-krankenhaus.at