Die Bedeutung von Barrierefreiheit und wie man Kinder dafür sensibilisieren kann

Unsere Kinder spielen eine essenzielle Rolle bei der gesellschaftlichen Inklusion von Menschen mit Behinderungen und müssen deshalb laufend miteinbezogen werden – schließlich sind sie die Erwachsenen der Zukunft.

„Barrierefrei“ ist nicht „behindertengerecht“

Vorab gilt es jedoch eine grundlegende Thematik zu klären. Barrierefrei – jede/r von uns hat diesen Begriff schon einmal gehört. In unseren Beratungen hören wir vom Bildungswerk (BhW) Niederösterreich als Wissensvermittler in puncto Barrierefreiheit oft: “Keine Sorge, wir sind barrierefrei!“ Innerlich freundlich schmunzelnd, wissen wir, dass dem nicht so sein kann. Warum? Einerseits, weil der Begriff „barrierefrei“ oft mit „behindertengerecht“ verwechselt wird, und andererseits, weil eine hundertprozentige Barrierefreiheit gar nicht erreicht werden kann. Wieso das denn, fragen Sie sich? Weil es immer auf einen Kompromiss hinausläuft. Schließlich braucht eine blinde Person Ecken und Kanten zur Orientierung, während ein/e Rollstuhlnutzer/in niveaulose Übergänge bevorzugt. Man hat sich also auf einschlägige Normen geeinigt – ein Kompromiss, der auf niemanden speziell zugeschnitten ist, aber für alle funktioniert.

Was sind eigentlich Barrieren? Laut Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz gelten bauliche und sonstige Anlagen dann als barrierefrei, wenn sie "[…] ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind" (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, Fassung vom 26.05.2021; § 6. (5)). Barrieren gibt es aber nicht nur in baulicher Form. Sie können sehr unterschiedlich sein und auf verschiedene Arten erfolgen: Bei der Kommunikation, in der Umwelt, beim Zusammenleben und beim Verstehen. Grundsätzlich gilt: Eine barrierefreie Umgebung ist komfortabel. Nicht nur für eine spezielle Gruppe, sondern für alle. Eine Rampe etwa hilft nicht nur Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, sondern auch jungen Eltern mit Kinderwagen, vorübergehend Verletzten, älteren und lastentragenden Menschen.

Im Gegensatz zu „barrierefrei“ bedeutet „behindertengerecht“ die Anpassung auf individuelle Bedürfnisse. Ein/e Rollstuhlnutzer/in zum Beispiel richtet sich seine/ihre Wohnung anders ein als eine blinde Person – schließlich hat jede Behinderung und jede Person eigene Anforderungen an ihre Umwelt.

Gesetzliche Grundlage – die Wahrung der Rechte von Menschen mit Behinderung

In Österreich gibt es erfreulicherweise schon lange Gesetze, die die Gleichberechtigung der Menschen mit Behinderungen wahren. Mit dem Unterschreiben der UN-Behindertenrechtskonvention hat Österreich 2008 ein deutliches Zeichen gesetzt, die Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen zu fördern und zu schützen. Diese Konvention verlangt von den Vertragsstaaten, dass sie die Forderungen in nationale Gesetze umwandeln. In Österreich ist es das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, welches Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung schützen soll. Für Niederösterreicher/innen gilt zusätzlich das NÖ-Antidiskriminierungsgesetz.

Die Kindersensibilisierung

Wir vom BhW Niederösterreich wussten schon immer, dass die Sensibilisierungsmaßnahmen, die wir anbieten, wichtig für Erwachsene sind. Doch was ist mit unseren Jüngsten? Sie sind unsere Zukunft, wir dürfen bei der Sensibilisierung keinesfalls auf sie vergessen. Kinder sind neugierig und völlig unbelastet, was Vorurteile betrifft. Außerdem dienen sie als Multiplikatoren – zu Hause erzählen sie ihren Familien von dem Erlebten, diese denken im besten Fall darüber nach und erhalten eine neue, unvoreingenommene Sichtweise auf die Sache.

Aus diesen Gedanken heraus entstand das Kinder-Magazin in Kooperation mit der Bildungsdirektion Niederösterreich und mit freundlicher Unterstützung von Landesrat Ludwig Schleritzko und Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister. Das Magazin wird allen interessierten Volks- und Sonderschulen als Zusatzmaterial kostenlos zur Verfügung gestellt und erfreut sich großem Anklang. In diesem Magazin speziell für Kinder wird klar kommuniziert, dass wir in einer vielfältigen Gesellschaft leben und jeder Mensch individuell ist. So haben manche Menschen dunkle Haare, manche blaue Augen, andere wieder tragen eine Brille, manche haben eine Behinderung.

Im Kinder-Magazin befinden sich viele Ausmalbilder von unterschiedlichen Situationen, in denen Barrierefreiheit eine Rolle spielt. Dabei wird auch aufgezeigt, wie Barrierefreiheit im Alltag aller Menschen eine Erleichterung darstellen kann, etwa die Rampe für den Postboten oder den barrierefreien Bus für den Vater mit Kinderwagen. Auch zeigen die Ausmalbilder, dass Kinder mit Behinderung ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft sind. Eine Rollstuhlfahrerin spielt Basketball? Ja, natürlich! Ein blindes Mädchen will ein Museum besuchen? Kein Problem! Jedes Ausmalbild ist mit einem kurzen Text unterlegt, der zum Nachdenken anregen soll. Das Motto lautet: „Barrierefreiheit für dich und mich“.

Aufklärung ist ein immerwährender Prozess

Falls Sie sich nun fragen, warum die Sensibilisierung hinsichtlich Menschen mit Behinderung noch immer notwendig ist, leben wir doch in einer modernen und offenen Gesellschaft, so lautet unsere Antwort: Das stimmt, aber wie Erfahrungswerte zeigen, werden Menschen mit Beeinträchtigungen leider noch immer nicht nur von Barrieren in der Umwelt, sondern auch von Barrieren in den Köpfen mancher Menschen behindert.

Um die Aufklärung speziell unter Kindern weiter voranzutreiben, haben wir uns den paralympischen österreichischen Schwimmer Andreas Onea zu Hilfe geholt, nachzusehen unter vimeo.com/463395423. Britta, damals neun Jahre alt, bat ihn zum Gespräch und stellte ihm Fragen, die einem Kind so durch den Kopf gehen. Er erzählte von seinem Unfall im Alter von sechs Jahren, wie sich sein Leben seitdem verändert und welche Erfolge er bis heute erzielt hat. So wäre er ohne die Amputation bestimmt nicht zum Schwimmen gekommen, denn das habe er erst nach seinem Unfall während der Reha gelernt. „Aus etwas Tragischem ist im Endeffekt etwas Wunderbares geworden“, ist er heute stolz.

Barrierefreiheit vom BhW Niederösterreich

Über die Jahre hat sich das BhW Niederösterreich mit dem Projekt BhW barrierefrei zur Kompetenzstelle in Sachen bauliche und digitale Barrierefreiheit entwickelt. Unser Alleinstellungsmerkmal ist der Gesamtüberblick über die Themen Barrierefreiheit, Inklusion, „Design for All“ und Digitalisierung.

Dank laufender fachspezifischer Aus- und Weiterbildungen haben wir die Kompetenzen direkt im Haus und decken ein breites Wissensspektrum ab. Das BhW Niederösterreich hat sich zur Aufgabe gemacht, kompetente Beratungsleistungen und Sensibilisierungsmaßnahmen für alle niederösterreichischen Gemeinden durchzuführen. Diese Angebote reichen von Gemeindebegehungen bis hin zu Planungsberatungen und Workshops/Webinaren zu allen möglichen Themen in Bezug auf Barrierefreiheit.

Mit vereinten Kräften und dem Lenken von Aufmerksamkeit auf die richtigen Bereiche schaffen wir es, Inklusion zu realisieren. Auch Sie haben Interesse an dem Kinder-Magazin? Gerne können Sie es
im BhW anfordern: barrierefrei@bhw-n.eu